Bodenschätze

Was Mutter Erde über die Menschheitsgeschichte verrät

Von Inga Veit

Eine Stadt unter London

Wer durch London geht, läuft über eine verborgene Stadt.

Es gibt viele Flüsse, die niemand mehr sieht. Die Stadtlandschaft wird von Hügeln und Tälern bestimmt, die diese Flüsse schufen, und einst brauchte London sie alle – für Trinkwasser, Häfen, Werften, Mühlen und Gerbereien und zur Beseitigung von Abwässern. Da die Flüsse fürchterlich stanken, begann man bereits im Mittelalter die Wasserläufe unter die Erde zu verlegen. Im neunzehnten Jahrhundert wurde das riesige Abwassersystem gebaut.

Die Themse ist der einzige von rund 15 Bächen und Flüssen, der noch oben fließen darf. Selbst der Buckingham Palace wird in der Tiefe von einem Bach, dem Tyburn, unterquert. Die Schifffahrtskanäle wie der Regent’s Canal blieben erhalten. Sie werden vor allem von einem der verschwundenen Flüsse gespeist, dem River Lee. Am Ufer des River Fleet, der seit 1768 überwiegend unterirdisch fließt, sollen gemäß einer Legende schwarze Rinder grasen. 

Neben Bunkern lassen sich auch noch die Pestgruben zum Beispiel unter Holborn und Blackheath finden.  In die Pestgruben kam, was die Stadtknechte aufgelesen hatten. Sie beluden ihre Wagen und leerten sie in die Pestgruben. Waren die Gruben voll, wurden sie zugeschüttet.

Die Große Pest von London in den Jahren 1665 und 1666 forderte 70.000 Londoner Leben. Sie wurde erst durch den Großen Brand von London endgültig gestoppt, weil praktisch alle verseuchten Ratten und Flöhe in den Flammen verbrannten. 

Quellen: NZZ, „Pestgruben, Kommandozentralen und verborgene Flüsse„, 14.1.16; Wikipedia zur „Großen Pest von London„; sagen.at, „Der liebe Augustin

Bodenradar

Archäologen entdecken eine komplette antike römischen Stadt Stadt unter der Erde – ohne je eine Ausgrabung zu machen. Wie? Dank einer neuen Technik um unterirdische Ruinen zu finden. Wissenschaftler der Cambridge Universität nämlich haben einen Bodenradar entwickelt. Das Land wird mit Radiowellen abgescannt. Unterirdisches Material sowie Objekte reflektieren die Radiowellen. Mittels Satellitentechnik werden die Echo-Daten der Radargeräte exakt eingegrenzt und zu einem Gesamtbild ergänzt. Aus den Daten erstellt ein Programm eine detaillierte Karte. Und das alles, ohne die Ruinen ausgraben zu müssen!

Quelle: Cambridge University Press, „Ground-penetrating radar survey at Falerii Novi: a new approach to the study of Roman cities„, 9.6.20, Hersfelder Zeitung, „Archäologen entdecken komplette Stadt unter der Erde – ohne je eine Ausgrabung zu machen„, 30.3.21

Die Festung von Kiriat Gat 

Eine uralte Festung der Kanaaniter wurde gefunden: Bei Ausgrabungen in Israel haben Archäologen ihre Ruinen entdeckt. Die Kanaaniter sollen sie im zwölften Jahrhundert vor Christus bei Kiriat Gat gebaut haben. Sie diente als Verteidigung gegen den damaligen Vormarsch der Philisterinnen. Sie stand an einer strategischen Stelle erbaut, von der aus man die Hauptstraße entlang des Flusses Guvrin beobachten kann.

Die Festung hatte einen Wachturm an jeder Ecke und eine drei Tonnen schwere Eingangs-Schwelle. 

In den Räumen wurden Hunderte von Keramikgefäße gefunden, darunter spezielle Gefäße, die wahrscheinlich für religiöse Rituale verwendet wurden. 

Quellen: Zeit, „Forscher finden eine 3.200 Jahre alte Festung in Israel„, 23.8.20; Botschaft des Staates Israel in Berlin, „3.200 Jahre alte Festung in Israel gefunden„, 24.8.20

Älteste Figur der Welt

Halten Sie sich fest: Vor 43.900 Jahren wurden auf der Insel Sulawesi in Indonesien Höhlenmalereien angefertigt. Sie zeigen Mensch-Tier-Wesen bei der Jagd auf Schweine und Rinder. Und sie sind offiziell die älteste figürliche Kunst der Menschheit.

Das Gemälde befindet sich in der Kalksteinhöhle Leang Bulu Sipong 4 und ist rund 4,5 Meter lang. Um das Alter der Höhlenmalereien zu bestimmen, nutzten die Forscher der Griffith-Universität in Brisbane, Australien, die Uran-Thorium-Datierung.

Für den Projektleiter Adam Brumm schufen die frühen Indonesier eine Kunst, „die möglicherweise ein spirituelles Denken über die besondere Beziehung zwischen Menschen und Tieren ausdrückt – lange bevor es zu den ersten künstlerischen Darstellungen in Europa kam“.

Quelle: Der Standard, „Älteste figürliche Kunst der Menschheit in Indonesien entdeckt„, 11.12.19; Sci News, „43,900-Year-Old Cave Painting Portrays Part-Human, Part-Animal Beings„, 13.12.19

2.000-jähriger Fund im Sauerland

In Neu-Listernohl-Nord bei Attendorn fanden Archäologen der LWL-Archäologie für Westfalen die Grundrisse des ältesten Hauses des Sauerlandes. Bereits in der Eisenzeit wurde die Hofstelle genutzt, das heißt vor über 2.000 Jahren. In der Neuzeit wurde dort Kalk gebrannt.

Vom eisenzeitlichen Hof ist noch ein Gebäudegrundriss übrig. Klar ist, dass das Haus aus Holz gebaut war, da die Gruben der Pfosten erhalten sind. Sie lassen sich als Bodenverfärbungen erkennen.

Die Ausgrabungen waren notwendig geworden, da das Areal von der Stadt Attendorn großflächig überbaut werden soll.

Quelle: Lokalplus, „Archäologen des LWL staunen über einmalige Funde in Neu-Listernohl„, 26.11.19

Luftbildarchäologen lieben Dürre

Wenn eine Dürre herrscht, sogen sich alle Menschen. Fast alle: Den Luftbildarchäologen hilft die Trockenheit enorm. Dadurch verstärken sich nämlich Kontraste am Boden, und Überreste von Bauten zeichnen sich deutlicher ab.

Was sind Luftbildarchäologen? Sie fahnden aus dem Flugzeug nach archäologischen Stätten im Untergrund. Das Wachstumsverhalten jedes einzelnen Getreidestängels oder Grashalms ist wie ein Pixel eines Digitalbildes, das vom Flugzeug aus deutlich sichtbar wird. Obwohl sie oft seit Jahrtausenden im Boden verborgen sind, zeichnen sich die Grundrisse von Bauten an der Erdoberfläche als grüne, beige oder braune Muster in Weizenfeldern oder ausgetrockneten Graslandschaften ab. 

Dank der Dürre im Sommer 2018 sichteten Archäologen in Wales aus der Luft Spuren teils uralter Anlagen der Kelten, Römer und Angelsachsen, Wallanlagen, militärische Stützpunkte, Lager, Häuser, vergessene Burgen und römische Landresidenzen.

In Nordsachsen wurden im Sommer 2018 Grundrisse von mehr als 7.000 Jahre alten Häusern aus der linienbandkeramischen Zeit der ersten Bauern gefunden. Nahe Kyhna in Nordsachsen wurden weitere Details einer 6.600 Jahre alten Kreisgrabenanlage entdeckt: Sie ist älter und mit 135 Metern Außendurchmesser deutlich größer als Stonehenge.

Quelle: Südddeutsche Zeitung, „Warum Archäologen sich über die Dürre freuen„, 2.8.18

Vom Maibaum

Ein Maibaum ist ein geschmückter Baum oder Baumstamm, der in den meisten deutschen Bundesländern sowie in Österreich, der Schweiz, Tschechien, der Slowakei und Slowenien zum 1. Mai aufgerichtet wird. Der spezielle Brauch mit dem damit verbundenen Dorf- oder Stadtfest, das in der Regel am 30. April oder 1. Mai stattfindet, ist in vielen Teilen Mittel- und Nordeuropas verbreitet.

Die Ursprünge des Maibaumbrauchtums liegen in germanischer und keltischer Zeit.

Die Germanen verehrten Waldgottheiten, denen sie in verschiedenen Baumriten huldigten.

Der 1. Mai war bei den Kelten ein Festtag, der dem Gotte Belenus geweiht war. An Beltane, so nannte man den 1. Mai, wurden in erster Linie Fruchtbarkeitsrituale zelebriert. Der traditionelle Maibaum hat vermutlich seinen Ursprung in Beltane, denn die Kelten schmückten zu Beltane die Häuser und Ställe mit frischem Grün und feierten mit Maibaum, Mai-Lehen und Maikönigin. Der irische Bischof Cormac mac Cuillenáin schrieb um das Jahr 900, dass zu Beltane zudem das Vieh unter der Aufsicht von Druiden zwischen zwei Feuern durchgetrieben worden sei, um damit Krankheiten zu verhindern. Beltane ist zusammen mit Imbolc (1. Februar), Lughnasadh (1. August) und Samhain (1. November) eines der vier großen alten irischen Feste.

Das früheste schriftliche Zeugnis in Deutschland über einen Maibaum, der ausdrücklich als solcher bezeichnet wird, ist ein Bericht des Caesarius von Heisterbach über ein Vorkommnis in Aachen vom Jahre 1224. Der Stadtpfarrer ließ den Maibaum gegen den Widerstand der Bürger umlegen, worauf diese als Antwort einen neuen, noch höheren Baum setzten.

Minnesänger und Zeitberichte im 12. und 13. Jahrhundert erzählen vom Maien und Maienstecken. Maien sind kleinere Maibäume, die von den unverheirateten Männern eines Dorfes vor den Häusern der unverheirateten Frauen aufgestellt werden.

Quellen: Forum: Geschichtliches zum Maibaumbrauchtum, Wikipedia zu „Maibaum“ und „Beltane

Ratschlag der Geister

Hier eine schöne wahre Geschichte. Ein Mann findet auf seinem Land Ruinen des Ute-Indianerstamms. Die Geister der einstigen indianischen Bewohner suchen ihn heim. Da schenkt er das ganze Land und das Haus dem Stamm zurück, dem es einst geraubt worden war. Es ist wunderschönes Land mit Blick auf wilde Mustangpferde, die durch Salbeigras laufen, nachts sind viele Sterne und oft Meteorschauer zu bestaunen.

Auf dem National Congress of American Indians in Denver wird der Mann vom Ute-Stamm geehrt.

Quelle: Return To Now, „Generous Colorado Landowner Returns Ancestral Land to Tribe„, 10.3.31

Gott der Steinzeit

Eine 12.000 Jahre alte Götterfigur ist aufgetaucht. Die Holzfigur stand seit mehr als hundert Jahren weitgehend unbeachtet im Museum von Jekaterinburg im Ural. Sie war im Shigir-Moor im Ural gefunden worden. Die aus einem Lärchenstamm geschnitzte Figur war ursprünglich mehr als fünf Meter hoch. Wahrscheinlich beteten Jäger und Sammler sie als Gottheit an. Laut neuesten Analysen Göttinger Archäologen ist das Idol rund 12.100 Jahre alt.

Quellen: GEO, „Die älteste menschliche Holzskulptur revolutioniert unser Bild vom Jäger und Sammler„, 1.4.21; Science Direct, „The Shigir idol in the context of early art in Eurasia„, 30.1.21; The New York Times, „How the World’s Oldest Wooden Sculpture Is Reshaping Prehistory„, 22.3.21

12.000 Jahre alter Tempel

Der Göbekli Tepe ist ein prähistorischer Fundort 15 Kilometer nordöstlich der südostanatolischen Stadt Şanlıurfa in der Türkei. Der Hügel mit einer Höhe von 15 Metern und einem Durchmesser von 300 Metern ist durch wiederholte Besiedlung ab der Jungsteinzeit entstanden. Die erste Besiedlungsphase reicht bis in das zehnte Jahrtausend vor Christus zurück.

Aus der Zeit haben die Archäologen sieben kreisförmige Steinanlagen ausgegraben, die aus T-förmigen Pfeilern bestehen. Aufgrund geophysikalischer Untersuchungen gehen die Forscher davon aus, dass über 200 weitere Pfeiler in etwa zwanzig Kreisanlagen unter dem Erdboden liegen. Die einzelnen Pfeiler sind dabei bis zu sechs Meter hoch und bis zu zwanzig Tonnen schwer.

Die archäologische Stätte wurde 2018 als UNESCO-Welterbe anerkannt.

Am verbreitetsten ist die vom Ausgrabungsleiter Klaus Schmidt etablierte Hypothese, dass es sich um ein steinzeitliches Bergheiligtum gehandelt habe.

Quelle: Wikipedia, „Göbekli Tepe„; Wikipedia, „Klaus Schmidt„; Deutsche UNESCO-Kommission, „Monumentale Architektur aus der Jungsteinzeit

Grab skythischer Kriegerinnen

Archäologen der Russischen Akademie der Wissenschaften haben im Südwesten Russlands die Überreste von vier skythischen Kämpferinnen entdeckt, die vor etwa 2.500 Jahren mit Waffen und Reitausrüstung bestattet wurden. Eine dieser Skythinnen wurde mit einem kostbaren Kopfschmuck beigesetzt, berichten die Archäologen.

Die skythischen Kriegerinnen sind wahrscheinlich die, die man heute Amazonen nennt.

Das Volk der Skythen war ein Volk von Reiternomaden. Die Skythen beherrschten ab etwa dem siebten Jahrhundert vor Christus die Steppen nördlich des Schwarzen Meeres im heutigen Südrussland und der Ukraine. Sie sind nicht allein durch ihren kunstvollen Goldschmuck bekannt, bei ihnen waren kämpferische Frauen die Regel. 

Zahlreiche Grabfunde belegen mittlerweile, dass einige Frauen dieser nomadisch lebenden Reitervölker eine hohe gesellschaftliche Stellung einnahmen. Sie erlernten von Jugend an den Umgang mit Waffen. 

Quelle: damals.de, „„Amazonen-Grab“ entdeckt„, 2.1.20; „Stern, Speere, Gold und die stolze Haltung von Kriegerinnen – so wurden vier Amazonen beigesetzt„, 15.1.20

Ahnenkult

3.000 Jahre alte Hügelgräber entdeckten Archäologen der Rheinstadt Uerdingen mitten in Uerdingen. Die Spuren reichen in die Zeit von 700 vor Christus zurück, also in die Eisenzeit.

Die Menschen sahen damals das einzelne Grab und den umgebenden Hügel als Wohnstätte ihrer toten Ahnen an. Mit dem Bezug auf ihre Vorfahren begründeten die dort siedelnden Menschen einen Anspruch auf das Land. 

Quelle: Westdeutsche Zeitung, „3000 Jahre alte Hügelgräber in Uerdingen entdeckt„, 29.8.19

Tanzwut

Im 14. und 15. Jahrhundert wütete die Tanzwut, auch Tanzkrankheit, Tanzsucht, Tanzplage, Tanzpest oder Choreomanie genannt. Das war eine Epidemie eventuell ohne physischen Erreger. Sie wird daher als psychogenes und massenhysterisches Phänomen beschrieben. Große Gruppen von Menschen tanzten oftmals willenlos, bis sie erschöpft oder verwundet zusammenbrachen. Verbreitungsräume waren im Rhein-Mosel-Maas-Raum: 1374 vom Oberrhein bis nach Belgien, 1463 im Eifelgebiet, 1518 in Straßburg.

Bis heute ist nicht geklärt, was die Tanzwut verursachte. War es Mutterkorn, ein Pilz im Getreide?

Ursprünglich war die Tanzwut als Veitstanz bekannt, eine Bezeichnung, mit der heute die Symptome der erblichen Krankheit Chorea Huntington bezeichnet werden. Das jedoch ist eine eigene Geschichte.

Quelle: Open Culture, „The Strange Dancing Plague of 1518: When Hundreds of People in France Could Not Stop Dancing for Months„, 14.1.19; Wikipedia, „Tanzwut„; Süddeutsche Zeitung, „Der unheimliche Drehwurm„, 10.3.18